Appell an den Deutschen Bundestag:
„Stoppen Sie Stuttgart 21 jetzt!“
Sehr geehrte Damen und Herren Bundestagsabgeordnete,
Die Deutsche Bahn befindet sich in einer tiefen Krise. Beschlossen wurde eine Ausgabensperre. Doch bei dem teuersten Schienenprojekt, bei Stuttgart21, werden Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro Steuergelder dafür ausgegeben, dass bewährte Kapazität abgebaut und gewaltige Risiken aufgebaut werden. Dabei sorgte das Projekt jüngst erneut für Negativschlagzeilen. Am 18. April 2018 gestand Bahnchef Richard Lutz, Stuttgart 21 sei „komplett unwirtschaftlich“ und brächte der Bahn „2,228 Milliarden Euro Verlust“. Am 11. Juni 2018 erklärte im Verkehrsausschuss des Bundestags der damals zuständige DB-Netzvorstand, bereits im Jahr 2000 sei für den Bahnvorstand klar gewesen, dass Stuttgart 21 „völlig unrentabel ist“. Das Ja für das Projekt habe es nur gegeben, weil die DB als Gegenleistung „den ganzen Nahverkehrsvertrag für Baden-Württemberg“ erhielt.
Inzwischen sind nach DB-Angaben die S21-Gesamtkosten auf 8,2 Milliarden Euro – nach Kalkulation des Bundesrechnungshofs auf fast 10 Milliarden Euro – geklettert. Das ist das Doppelte dessen, was Bahnchef Grube bei der Volksabstimmung 2011 als „Sollbruchstelle“ bezeichnete.
Vergleiche mit Elbphilharmonie und BER sind falsch. Diese Projekte bringen – bei berechtigter Kritik – Kapazitätszuwachs. S21 bedeutet jedoch Kapazitätsabbau. Acht Durchfahrgleise im Untergrund leisten rund 30 Prozent weniger als die bestehenden 16 oberirdischen Kopfbahnhofgleise. Zum Vergleich: Der Hauptbahnhof Nürnberg hat 22 Durchfahrgleise. Dabei ist Stuttgart deutlich größer als Nürnberg. S21 bringt auch keine Fahrzeitverkürzung. Eine solche gibt es nur aufgrund der Neubaustrecke nach Ulm. Doch diese hat mit S21 nichts zu tun.
Bis heute gibt es keinen genehmigten Brandschutz für S21. Es existiert keine genehmigte Planfeststellung für die Flughafen-Anbindung. Die Längsneigung der Gleise und Bahnsteige im Tiefbahnhof übersteigt mit 15,1 Promille die reguläre Obergrenze um das Sechsfache. Züge können beim Fahrgastwechsel ins Rollen kommen. Es gibt ein enormes geologisches Risiko: S21-Tunnel mit einer Länge von 16,7 Kilometern liegen im quellfähigen Anhydrit (Gipskeuper). Wie unberechenbar das ist, zeigt Staufen im Breisgau: Dort hebt sich seit einem Jahrzehnt der Boden unter der Stadt in Folge von Geothermie-Bohrungen im Anhydrit. Stuttgart 21 schafft ein großes Starkregen-Risiko. Der geplante S21-Bahnhofstrog durchschneidet die vier Abwasser-Hauptkanäle aus der Innenstadt, weswegen diese „gedükert“ – wie bei einem Siphon unter dem Bahnsteigtrog durchgeführt – werden müssen. Das Überflutungsrisiko wird dadurch enorm gesteigert.
Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima beschloss der Bundestag den Atom-Ausstieg und den Umstieg auf alternative Energien. Vergleichbar gibt es bei einem S21-Ausstieg die Alternative „Umstieg21“: Mit diesem Konzept ließe sich ein großer Teil der bisherigen S21-Bauten für einen modernisierten Kopfbahnhof, für einen wieder herzustellenden Park und für neue Schienenwege umnutzen. Damit würden mehrere Milliarden Euro gespart. Umgekehrt gilt: Im Fall einer Inbetriebnahme von S21 wird es Jahr für Jahr erhebliche Extrakosten geben – aufgrund zu geringer Kapazitäten. Das sinnvollste Schienenprojekt, ein bundesweiter Taktfahrplan, würde in der Region mit dem Flaschenhals S21 unmöglich gemacht. Damit werden die klimapolitischen Verpflichtungen im Südwesten massiv verfehlt.
Wir appellieren an Sie: Entscheiden Sie sich für eine positive Zukunft des Schienenverkehrs und damit für einen S21-Baustopp! Prüfen Sie ernsthaft die Alternative Umstieg21!
Hochachtungsvoll – als Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:
Dr. Franz Alt (Baden-Baden) / Klaus Gebhard (Stuttgart) / Prof. Dr. Hermann Knoflacher (Wien) / Peter Lenk (Bodman, Ludwigshafen) / Sabine Leidig (MdB; Kassel + Berlin) / Volker Lösch (Berlin) / Prof. Dr. Jürgen Lodemann (Freiburg/Brsg.) / Arno Luik (Hamburg) / Albrecht Müller (Pleisweiler) / Dr. Eisenhart von Loeper (Nagold) / Prof. Dr. Heiner Monheim (Malente) / Christine Prayon (Stuttgart) / Jürgen Resch (Überlingen) / Wolfgang Schorlau (Stuttgart) / Walter Sittler (Stuttgart) / Dr. Winfried Wolf (Wilhelmshorst)
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner:
Stand 25.10.18: 2.699
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